Post-Orgasmic-Illness-Syndrom als Behinderung? –
Neue Studie zeigt schwere Auswirkungen
Eine große Studie aus dem Jahr 2024 belegt: Das Post-Orgasmic-Illness-Syndrom (POIS) beeinträchtigt Arbeitsfähigkeit, Alltag und Lebensqualität massiv – und wirft die Frage auf, ob POIS als Behinderung eingestuft werden sollte.
Bisher lag der Fokus der POIS-Forschung vor allem auf den möglichen Ursachen und ersten Behandlungsansätzen. Die realen Folgen für Alltag und Arbeitsfähigkeit wurden dagegen kaum untersucht. Eine neue Studie, vorgestellt auf dem 25th Annual Fall Scientific Meeting der SMSNA und veröffentlicht in The Journal of Sexual Medicine (Dezember 2024), wählt nun eine neue Perspektive: POIS als potenzielle Behinderung.
Studiendesign
Das Forscherteam um I. Bronson, M. Cabral, L. Maietta und Kollegen nutzte den Work Productivity and Activity Impairment Questionnaire (WPAI: SHP) – ein etabliertes Instrument, das häufig bei chronischen Erkrankungen eingesetzt wird.
- Teilnehmer: 300 Männer zwischen 18 und 64 Jahren mit POIS-Symptomen; 167 Datensätze vollständig auswertbar
- Rekrutierung: Online über POIScenter.com, Facebook, Reddit (r/POIS), Twitter und Instagram
- Erhobene Daten: Fehlzeiten am Arbeitsplatz, Produktivitätsverlust während der Arbeit sowie Einschränkungen im Alltag
Ziel war es, die konkrete Beeinträchtigung durch POIS messbar zu machen und mit anderen chronischen Erkrankungen zu vergleichen.
Zentrale Ergebnisse
Die Resultate sind alarmierend:
- Arbeitsausfall: Im Schnitt 14,3 % Fehlzeiten durch POIS-Symptome
- Produktivitätseinbußen am Arbeitsplatz: durchschnittlich 66,7 %
- Alltagsbeeinträchtigung: 72,3 % Einschränkung bei Aktivitäten außerhalb der Arbeit (Sport, Haushalt, soziale Kontakte)
- Gesamtverlust Arbeitsproduktivität: kombiniert 54,8 %
- Beschäftigungsstatus: Über ein Viertel der Befragten war aktuell nicht erwerbstätig, obwohl die Mehrheit im arbeitsfähigen Alter war
Besonders bemerkenswert: 88,7 % der Teilnehmer bezeichneten sich selbst nicht als behindert – obwohl die gemessenen Einschränkungen mit schweren chronischen Krankheiten vergleichbar sind.
Vergleich mit anderen chronischen Krankheiten
Im Vergleich zu vorliegenden WPAI-Daten aus anderen Erkrankungen zeigte POIS gleich starke oder noch höhere Belastungen als:
- Chronische Lungenerkrankungen
- Rheumatoide Arthritis
- Chronische Migräne
- Depression
- Morbus Crohn
Damit wird deutlich: Die funktionelle Belastung durch POIS ist erheblich und wird von den Betroffenen wie auch von der Gesellschaft bislang deutlich unterschätzt.
Bedeutung: POIS im Behinderungs-Kontext
Die Autoren schlagen vor, POIS im Rahmen einer Behinderungs-Perspektive zu betrachten. Das hätte mehrere Vorteile:
- Rechtliche Anerkennung: Unter dem Americans with Disabilities Act (ADA) und vergleichbaren internationalen Gesetzen könnten Betroffene Anspruch auf Arbeitsplatz-Anpassungen haben.
- Bessere Versorgung: Eine solche Einordnung könnte Forschungsgelder und medizinische Aufmerksamkeit verstärken.
- Stärkere Patientenstimme: Ein offizieller Behinderungsstatus würde den Betroffenen mehr Gewicht in medizinischen und gesellschaftlichen Diskussionen verleihen.
Solange Ursachen und Therapien von POIS nicht eindeutig geklärt sind, könnte diese Sichtweise Betroffenen mehr Stabilität und Unterstützung geben.
Fazit
Diese Studie ist ein Meilenstein: Zum ersten Mal wird die tatsächliche Einschränkung durch POIS in Zahlen gefasst. Die Ergebnisse belegen massive Einbußen in Arbeitsfähigkeit, Alltag und Lebensqualität – vergleichbar mit etablierten chronischen Erkrankungen.
Die Einordnung von POIS als mögliche Behinderung eröffnet neue Wege für Unterstützung, Forschung und gesellschaftliche Anerkennung. Für viele Patienten könnte dies der erste Schritt in Richtung spürbarer Entlastung sein.
Quelle:
Bronson I., Cabral M., Maietta L., Rodillo K., Paulsen O., Finlay-Morriale H., Rothschild A., Rubin R. Post-orgasmic illness syndrome as a disability. The Journal of Sexual Medicine, Volume 21, Supplement 7, Dezember 2024.
DOI: 10.1093/jsxmed/qdae167.046
Hintergrund: Was ist POIS?
Das Post-Orgasmic-Illness-Syndrom (POIS) ist eine seltene, bislang kaum verstandene Erkrankung. Minuten bis Stunden nach der Ejakulation entwickeln Betroffene grippeähnliche, kognitive und emotionale Symptome: extreme Müdigkeit, Brain Fog, Muskelschmerzen, Reizbarkeit und Konzentrationsprobleme. Diese Beschwerden können mehrere Tage anhalten – und treten nach jedem Orgasmus erneut auf.